Glossar

Erziehungs- und Strafmaßnahmen im Heimsystem:

Strafmaßnahmen waren ein integraler Bestandteil des Erziehungssystems. Sie wurden genutzt, um disziplinarische Regeln und Ideologien der sozialistischen Gesellschaft durchzusetzen. Die konkreten Maßnahmen unterschieden sich zwischen den verschiedenen Einrichtungen. Folgende Maßnahmen gehörten jedoch meistens dazu: mündliche Ermahnungen und Verwarnungen, Arbeitsstrafen und Isolationshaft oder Arrest. Obwohl körperliche Züchtigunggesetzlich verboten war, wurden Berichte über Prügelstrafen und andere Formen der physischen Gewalt in einigen Einrichtungen dokumentiert.

Gut Lüben:

Der Gutshof in Burg bei Magdeburg wird seit mehr als 100 Jahren zu Erziehungszwecken genutzt. 1912 wurde auf dem Gelände eine preußische Landeserziehungsanstalt erbaut. In dieser wurden ein Jahr später männliche Jugendliche evangelischer Konfession zwangseingewiesen. Ab 1933 wurde das Gelände von der NSDAP weiterhin zur Erziehung männlicher Jugendlicher genutzt. Neben militärischen Übungen gab es auch Zwangssterilisationen gemäß der NS-Rassenhygiene. Nach Kriegsende nutzte die Rote Armee das Gelände als Kaserne und Lazarett. Von 1949 bis 1990 befand sich hier der Jugendwerkhof August Bebel. Seit 1991 wird das Gelände vom Cornelius-Werk genutzt und ist bis heute in Trägerschaft der Diakonie. Hier wohnen nun Kinder, Jugendliche, junge Familien und Senior:innen und erhalten verschiedene Hilfsangebote.

Heimtypen der DDR-Jugendhilfe:

Zunächst kamen die Kinder und Jugendlichen in der Regel in Durchgangsheime, bis ein dauerhafter Platz gefunden werden konnte. Das dauerte unter Umständen jedoch Monate. Von da aus ging es weiter in die Normal- oder Spezialheime. Die Normalheime umfassten die Normalkinderheime und die Jugendwohnheime für Jugendliche ab etwa 16 Jahren. Dem gegenüber standen die Spezialheime. Diese umfassten sowohl Spezialkinderheime als auch die rund 30 Jugendwerkhöfe inklusive des Geschlossenen Jugendwerkhofes Torgau für Jugendliche von 14 bis 18 teilweise sogar 20 Jahren.

Jugendwerkhof „August Bebel“:

Der Jugendwerkhof August Bebel befand sich auf Gut Lüben in Burg bei Magdeburg. Mit bis zu 360 Jugendlichen war er der größte Jugendwerkhof in der DDR. Zu Beginn wurden meist Ausbildungen in der Landwirtschaft oder im Handwerk angeboten. Später ist die Zwangsarbeit durch Quellen belegt, zum Beispiel im VEB Burger Knäcke-Werke oder der Schuhfabrik Roter Stern. Auch die Ausbildung in der Gärtnerei und in der Malerei oder als Hauswirtschafterin waren möglich. Der Jugendwerkhof hatte mehrere Außenstellen. Aus der Außenstelle in der Rolandmühle ging später ein eigenständiger Jugendwerkhof hervor. Dieser Jugendwerkhof „Neues Leben“ befand sich direkt im Ort Burg.

Sozialistische Persönlichkeit:

Sozialistische Persönlichkeiten sind loyale Staatsbürger:innen, die die Bedürfnisse der Gesellschaft über die eigenen Stellen: Dieses Idealbild wurde seit den 1960ern von der SED angestrebt und geht zurück auf die „Zehn Gebote der sozialistischen Moral“ von Walter Ulbricht.

Umerziehung:

Das Ziel der Erziehung in den Spezialheimen war Umerziehung. Nach DDR-Ideologie musste umerzogen werden, wer als schwer erziehbar galt. Der Begriff war jedoch nicht ausreichend definiert. Schwer erziehbar konnte also jegliches Verhalten bedeuten, dass nicht der sozialistischen Norm entsprach. Die Umerziehung fußte auf vier Säulen/Diese fußte auf vier Säulen: Erstens, politisch-ideologische Erziehung. Dabei sollte staatsbürgerliches Wissen vermittelt werden, zum Beispiel durch tägliches Radiohören oder besprechen von aktuellen Themen. Zweiten, Kollektiverziehung. Hier war das Überwinden der individuellen Persönlichkeit das Ziel. Kinder und Jugendliche sollten ihre eigene Interessen, den Interessen der Gemeinschaft unterordnen. Drittens, sollten durch streng getaktete Wochen- und Tagesabläufe Ordnung und Disziplin vermittelt werden. Dazu gehörte auch viertens die Arbeitserziehung. Diese verlangte neben der täglichen Zwangsarbeit in Betrieben auch regelmäßige Reinigungsarbeiten im Heim selbst. So sollten Heimkinder durch systematische Unterdrückung und Missachtung individueller Bedürfnisse zu sozialistischen Persönlichkeiten umerzogen werden.